Dr. med. vet. KI
Verwendung von künstlicher Intelligenz im (Er)Lernen sowie im Ausbau des Clinical Reasoning bei Studierenden der Veterinärmedizin.
16. September 2024
Das Projekt in Kürze
Studierende der Veterinärmedizin müssen am Ende ihres Studiums über ein definiertes Level an Wissen, Fähigkeit und Kompetenzen verfügen. Im Rahmen der Gruppenarbeiten, der Leitsymptome und auch der klinischen Rotation zeigt sich, dass häufig ein ausreichendes Fachwissen vorhanden oder schnell irgendwo abgerufen wird. Die Fähigkeit des Clinical Reasoning (klinische Argumentation, Schlussfolgerung, Beweisführung) bereitet den Studierenden jedoch grosse Schwierigkeiten. Wenn wir als Dozierende sie dann an den Fall heranführen bzw. die Versuche des Clinical Reasoning begleiten, kommen die Studierenden zu einem Lernerfolg. Gibt es für die Studierenden jedoch keine solche Supervision, kommen sie oft zu falschen Schlussfolgerungen oder wissen zumindest am Ende nicht, ob ihr Clinical Reasoning korrekt ist. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) soll das (Er)Lernen des Clinical Reasoning begleiten bzw. unterstützen, in dem Studierende die KI für ihre Lösungsfindung heranziehen und deren Vorschläge hinsichtlich Korrektheit bewerten. Die KI schlägt basierend auf Anamnese und klinischer Befunde Verdachts- und Differentialdiagnosen vor, deren Validität dann durch die Studierenden zu prüfen ist. Ausserdem kann die KI weiterführende Untersuchungen vorschlagen oder versuchen, deren Ergebnisse einzubeziehen. Auch hier unterstützt die KI die Studierenden im Hinblick auf das sinnvolle Vorgehen im klinischen Fall.
Ziele & Nutzen
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) kann das (Er)Lernen des Clinical Reasoning begleiten bzw. unterstützen, in dem Studierende die KI für ihre Lösungsfindung heranziehen und deren Vorschläge hinsichtlich Korrektheit bewerten. Die KI schlägt basierend auf Anamnese und klinischen Befunden, welche in einem Prompt formuliert werden, Verdachts- und Differentialdiagnosen vor, deren Validität im speziellen Fall dann durch die Studierenden anhand ihres Fachwissens zu prüfen ist. Ausgehend von dieser Überprüfung können die Studierenden den Fall dann weiter aufarbeiten resp. lösen. Ausserdem kann die KI weiterführende Untersuchungen vorschlagen oder versuchen, deren Ergebnisse einzubeziehen. Auch hier unterstützt die KI die Studierenden im Hinblick auf das sinnvolle Vorgehen im klinischen Fall.
In diesem Projekt müssen zunächst Dozierende der Kliniken an die Arbeit mit der KI herangeführt werden sowie für die Studierenden eine Anleitung zur korrekten und effizienten Nutzung der KI erarbeitet werden. Erst danach kann das oben genannte eigentliche Projektziel avisiert werden.
Der gezielte Einsatz von KI erlaubt den Studierenden aller Jahrgänge, ihr Clinical Reasoning effizienter auszubauen und nicht nur in speziellen Lehrveranstaltungen, sondern auch im Selbststudium (selbstgesteuertes Lernen) zu verbessern.
Lehrangebot & Didaktik
Die didaktische Kernidee ist, dass die Nutzung von KI in der Lösung von klinischen Problemen einen ähnlichen Support leistet wie die Anleitung / Supervision durch Dozierende. Die Studierenden sollen dieses selbst ausprobieren und ihren Lernerfolg vergleichend bewerten. Wenn sie den Nutzen bzw. Mehrwert einer erlernten Anwendung von KI erkannt und eigenständig sinnvoll prompten gelernt haben, können sie diese Kompetenz in curricularen Veranstaltungen, aber auch im selbstgesteuerten Lernen anwenden und so ihren Lernerfolg selbstständig positiv beeinflussen. Zunächst wird «Dr. med. vet. KI» im Rahmen der Lehrveranstaltung Leitsymptome im Frühjahr 2025 angewendet und getestet. Dort wird problemorientiertes Lernen angewendet: Um das Lernziel des Clinical Reasoning zu erreichen, bekommen die Studierenden zu einem ausgewählten Leitsymptom verschiedene Informationen zu einem realen Fall. Anhand dieser Informationen muss dann der Fall aufgearbeitet und gelöst werden – hier nun mit der Unterstützung von KI.
Dissemination & Nachhaltigkeit
Die Ergebnisse aus diesem Projekt sollen in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift mit Peer-Review Verfahren publiziert werden. Ausserdem sind wir bestrebt, das Projekt an einem «Tag der Lehre» der Universität Bern vorzustellen. Fakultätsintern werden die Ergebnisse in der Lehrkommission sowie im Fakultätskollegium präsentiert.
Die Dozierenden der Kliniken an der Vetsuisse Fakultät werden dazu angehalten, auch in zukünftigen Jahrgängen die Studierenden auf den Mehrwert von KI im Aufbau des eigenen Clinical Reasoning hinzuweisen. Daneben erhalten die Studierenden über die Lernplattform ILIAS diejenigen Informationen, die zur besseren Verwendung von KI dienlich sind (z.B. schriftliche Anleitung, etc.).
Die Erfahrungen aus der Lehre an der Vetsuisse Fakultät können unter Umständen auch in die Humanmedizin übertragen werden, sodass zukünftig auch dort KI zur Unterstützung im Aufbau des Clinical Reasoning eingesetzt werden kann.
Umsetzung
In einer ersten Phase wird die KI-Plattform identifiziert, mit der wir im Bereich Veterinärmedizin wahrscheinlich den grössten Erfolg haben werden. Ausserdem wird eine Kurzanleitung erstellt, anhand derer die KI durch Studierende und Dozierende effizient und zielführend genutzt werden kann. Hierbei geht es neben dem richtigen Zugang zu KI vor allem um die korrekte Formulierung von Anfragen resp. Prompts.
In der zweiten Phase sollen dann aus der Kleintier- der Pferde, der Schweine- und der Wiederkäuerklinik jeweils drei Fälle skizziert werden, die mittels KI zu bearbeiten sind. Experten und Expertinnen aus den Kliniken beurteilen anschliessend die Qualität des Clinical Reasoning durch KI. Diese Projektphase dient u.a. dazu, die Dozierenden mit KI vertraut zu machen und ein gewisses Vertrauen in die Technik aufzubauen.
In der dritten und letzten Phase wird im Rahmen der Lehrveranstaltung Leitsymptome im Frühjahr 2025 die Kohorte im 4. Jahreskurs in zwei Gruppen geteilt. Entsprechend eines Crossover-Designs lösen die Studierenden die Leitsymptom-Fälle abwechselnd mit bzw. ohne KI. Studierende werden darum gebeten, je nach Gruppeneinteilung die Fälle mit bzw. ohne KI zu lösen – unabhängig davon, ob sie bereits zuvor KI eingesetzt haben. Nach Abschluss jedes Falles werden die Studierenden zu ihren Lernerfahrungen bzw. zu ihrem Lernerfolg befragt. Unsere Hypothese ist, dass die KI im Sinne einer digitalen Supervision den Studierenden ein wertvolles Feedback bei der Bearbeitung der Fälle bietet und sie somit selbstbewusster und sicherer im Umgang mit klinischen Daten und Befunden werden.
Grundlagen
Der Einsatz von KI in der veterinärmedizinischen Lehre und speziell zur gezielten Verbesserung des Clinical Reasoning ist ein Novum und wurde bisher im deutschsprachigen Raum nicht beschrieben. Die Neuentwicklungen und Innovationen in diesem Projekt können als Grundlage betrachtet werden, auf dessen Basis KI zukünftig auch in anderen Frage- bzw. Aufgabenstellungen angewendet wird.
Die Entwicklung von Dr. med.vet. KI wird 2024 / 2025 vom Vizerektorat Lehre der Universität Bern im Rahmen von FLE – Fakultäre Lehrentwicklung (ehemals «FILFLE») unterstützt. Hier finden Sie Informationen zum Förderangebot.