UnVergessen
Das Lehrprojekt UnVergessen realisierte ein modulares, interdisziplinäres Lehrangebot zum Thema “Migration, Mehrsprachigkeit und Geschichte im Pflegeheim”. Im Zentrum steht ein Raum des mehrfachen Austauschs, indem es Jung und Alt, unterschiedliche Institutionen sowie Lehre, soziales Engagement und Forschung aus verschiedenen Disziplinen zum gegenseitigen Mehrwert zusammenbringt.
10. Februar 2025
Das Projekt in Kürze
Im Zentrum des Lehrprojektes steht die Interaktion von Studierenden und Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeheimen. Mehrsprachige Studierende werden mit gleichsprachigen Personen, die in Pflegeheimen leben, zu Tandempaaren vermittelt. Die Studierenden besuchen ihre Tandempartnerinnen und Tandempartner über mehrere Monate kontinuierlich, sodass sich das Tandempaar kennenlernen, sich austauschen und eigene kommunikative (mehrsprachige) Praktiken entwickeln kann. Diese gemeinsamen Aktivitäten werden durch Lehrveranstaltungen vorbereitet und begleitet. Dort findet zusätzlich eine Überführung auf die Reflexions- und wissenschaftliche Ebene statt. Für die beteiligten Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner besteht die Möglichkeit, sich mit aus dem Projekt gewonnenen Daten auseinanderzusetzen und durch das Netzwerk neue Forschungsprojekte zu entwickeln.
Ziele & Nutzen
Projektziele
- Austausch in einer gemeinsamen Sprache zwischen Studierenden und Pflegebedürftigen herstellen
- Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Austausch bzw. mit der gesamten Thematik gewährleisten
- Netzwerk mit Pflegeheimen und interessierten Forschenden und Lehrenden aufbauen
Für die Heimbewohnenden steht die Frage nach Möglichkeiten sprachlicher und sozialer Teilhabe sehr gewichtig im Raum. Mehrsprachige Personen entwickeln über ihr Leben kommunikative Praktiken, die mit der Verwendung ihrer Sprachen in unterschiedlichen Situationen verknüpft sind. Bei einem Wechsel ihrer gewohnten Lebensrealität – durch einen Umzug in ein Pflegeheim – verändert sich auch das sprachliche Gefüge. Im Extremfall kann es dazu kommen, dass eine der Sprachen, die vorher bspw. in der familiären Umgebung überwiegend verwendet wurde, nicht mehr bedient werden kann. Der Verlust einer Sprache kann psychosoziale Folgen wie Verunsicherung und Vereinsamung für eine betroffene Person nach sich ziehen. Geht sie mit Erkrankungen, wie z.B. Formen von Demenz einher, umso mehr.
Nutzen für die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner
- Sie erhalten Aufmerksamkeit und können soziale Kontakte pflegen
- Sie haben die Möglichkeit, in ihrer vertrauten Sprache zu kommunizieren, was soziale Teilhabe bedeutet und zu einer Verbesserung ihrer Situation beitragen kann
Nutzen für die Studierenden
- Sie erfahren, wie sie ihre Sprachkompetenzen sinnvoll und zum positiven Nutzen einer konkreten Person einsetzen und dabei ihre Sprache ausbauen können
- Sie erweitern ihre sozialen Kompetenzen und bekommen Einblicke in einen häufig neuen Lebensalltag im Pflegeheim
- Sie gewinnen aus gemeinsamen Aktivitäten neue Erkenntnisse und reflektieren diese wissenschaftlich
- Die Studierenden können das auf theoretischer Ebene Gelernte in die Praxis bringen und eigene Forschungsfragen entwickeln
Nutzen für Dozierende und die Fakultät
- Durch die geschaffenen Kooperationen mit den Pflegeeinrichtungen ist ein Netzwerk entstanden, das zudem im Bereich der Lehre und Forschung weiter vertieft wird und durch die Gründung einer Forschungsplattform zum Thema Alter als interdisziplinäres Forschungsfeld universitär an Sichtbarkeit gewinnt, Forschung: Diversität im Alter als inter- und transdisziplinäres Forschungsfeld - Walter Benjamin Kolleg
Lehrangebot & Didaktik
Das Projekt baute ein modulares Lehrangebot auf. Dieses besteht aus drei Veranstaltungen:
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Interdisziplinäres Seminar und Begleitphase in den Pflegeheimen: Das Seminar ist für die Dauer eines Semesters angelegt. Die Basiskomponente vermittelt Wissen zu relevanten Themen des Projektes. Die Wissensvermittlung erfolgt über den Austausch im Seminar sowie zusätzlich über einen ILIAS-Kurs, in den zu lesende Grundlagentexte, andere Medien und interaktive Elemente eingebaut und mit passenden Lernstandsüberprüfungen kombiniert werden. Die zweite Komponente des Seminars ist fächerspezifisch und wird sowohl inhaltlich als auch personell von den teilnehmenden Fächern und Dozierenden gefüllt. Hier speist die dozierende Person eigene Inhalte ein, die aus der jeweiligen Perspektive für die Teilnahme am Projekt relevant sind. Dies können zusätzliche Fachinhalte sein, methodische Konkretisierungen oder auch praktische Hinweise sowie konkret ausformulierte Anforderungen an zusätzliche Leistungen. Die Begleitphase geht über die Vorlesungszeit hinaus und umfasst die gesamte Dauer des Semesters. Der Leistungsnachweis wird an die Modalitäten der Teilnahme (freie Leistung, Leistung im Rahmen eines fachspezifischen Moduls) und die Anzahl an ECTS-Punkten angepasst (diese reicht von 5 bis 9 ECTS und variiert von aktiver Teilnahme hin zur Verfassung einer schriftlichen Abschlussleistung).
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Kolloquium: Das Kolloquium ist fakultativ und bei Interesse an das Projekt andockbar. So können bestehende Kolloquien in den Fächern nach Absprache mit den Dozierenden genutzt werden, um die Themen rund um das Projekt und die eigene Teilnahme auszudehnen, empirische Daten zu erheben, auszuwerten und in wissenschaftliche Arbeiten zu überführen.
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Vorlesung oder vertiefende Übung: Eine weitere optionale Vertiefung besteht in der Möglichkeit des Besuchs von Vorlesungen oder interdisziplinären Übungen zu diesem Thema, die jeweils für alle Fächer geöffnet und semesterweise versetzt zum Seminar angeboten werden.
Das Lehrangebot wird didaktisch innovativ umgesetzt:
- Transfer von Lerninhalten (Anwendungsbezug, z.B. werden erworbene Sprachkenntnisse aktiv eingesetzt)
- Zusammenspiel von Selbstlernphasen, Seminarsitzungen und praktischer Anwendung
- Heranführung der Studierenden an eigene Forschung durch Forschendes Lernen (eigene Daten erheben & auswerten)
- Behandlung interdisziplinärer Themenfelder und interdisziplinärer Austausch in der Projektgruppe
- Aufzeigen von Zukunftsperspektiven (Berufsfelder, neue Forschungsbereiche)
Dissemination & Nachhaltigkeit
Das Projekt wird über die Förderphase hinaus weitergeführt.
Das Lehrangebot wird über verschiedene Wege an der Fakultät bekannt gemacht: Interne Dissemination in den Fächern, Streuung über Mailinglisten und die Fakultät, Erstellung eines Werbevideos und Kontaktaufnahme zu einzelnen Personen (bspw. Koordinationsstelle von Kompass), die diese Informationen ihrerseits verbreiten.
Das Projekt, insbesondere die umfangreiche Koordination und Kommunikation zwischen den beteiligten Institutionen, wurde durch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin unterstützt. Dies hat entscheidend zum Projekterfolg und der Etablierung des Angebots beigetragen.
Kontakt
Sie sind am Projekt und den Projektergebnissen interessiert oder haben Fragen? Dann wenden Sie sich gerne an Katrin Bente Karl.
Grundlagen
Für die Umsetzung wurde auf die Erfahrung von sechs Projektdurchgängen (je ein Jahr) an der Ruhr-Universität Bochum (Leitung Katrin Karl) zurückgegriffen. Das Projekt wurde ausgezeichnet (Landeslehrpreis Nordrhein-Westfalen & DAAD-Preis) und erfuhr mediale Präsenz. Einen Überblick bietet die Projektwebsite UnVergessen.
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Die Entwicklung von UnVergessen wird 2023 / 2024 vom Vizerektorat Lehre der Universität Bern im Rahmen von FLE – Fakultäre Lehrentwicklung (ehemals «FILFLE») unterstützt. Hier finden Sie Informationen zum Förderangebot.