UnVergessen

Das Lehrprojekt UnVergessen schafft einen Raum des mehrfachen Austauschs, indem es Jung und Alt, unterschiedliche Institutionen sowie Lehre, soziales Engagement und Forschung aus verschiedenen Disziplinen zum gegenseitigen Mehrwert zusammenbringt.

15. August 2023

Das Projekt in Kürze

Im Zentrum des Lehrprojektes steht die Interaktion von Studierenden und Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen. Mehrsprachige Studierende werden mit gleichsprachigen Personen, die in Pflegeheimen leben, zu Tandempaaren vermittelt. Die Studierenden besuchen ihre Tandempartnerinnen und Tandempartner über mehrere Monate kontinuierlich, sodass sich das Tandempaar kennenlernen, sich austauschen und eigene kommunikative (mehrsprachige) Praktiken entwickeln kann. Diese gemeinsamen Aktivitäten werden durch Lehrveranstaltungen vorbereitet und begleitet. Dort findet zusätzlich eine Überführung auf die Reflexions- und wissenschaftliche Ebene statt. Für die beteiligten Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner besteht die Möglichkeit, sich mit aus dem Projekt gewonnenen Daten auseinanderzusetzen und durch das Netzwerk neue Forschungsprojekte zu entwickeln.

Für die Heimbewohnenden steht die Frage nach Möglichkeiten sprachlicher und sozialer Teilhabe sehr gewichtig im Raum. Mehrsprachige Personen entwickeln über ihr Leben kommunikative Praktiken, die mit der Verwendung ihrer Sprachen in unterschiedlichen Situationen verknüpft sind. Bei einem Wechsel ihrer gewohnten Lebensrealität – durch einen Umzug in ein Pflegeheim – verändert sich auch das sprachliche Gefüge. Im Extremfall kann es dazu kommen, dass eine der Sprachen, die vorher bspw. in der familiären Umgebung überwiegend verwendet wurde, nicht mehr bedient werden kann. Der Verlust einer Sprache kann psychosoziale Folgen wie Verunsicherung und Vereinsamung für eine betroffene Person nach sich ziehen. Geht sie mit Erkrankungen, wie z.B. Formen von Demenz einher, umso mehr. 

Nutzen

  • Die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner bekommen Aufmerksamkeit und die Möglichkeit, in ihrer vertrauten Sprache zu kommunizieren, was soziale Teilhabe bedeutet und zu einer Verbesserung ihrer Situation beitragen kann. 
  • Die Studierenden erfahren, wie sie ihre Sprachkompetenzen sinnvoll und zum positiven Nutzen einer konkreten Person einsetzen und dabei ihre Sprache ausbauen können. Sie erweitern zudem ihre sozialen Kompetenzen und bekommen Einblicke in einen häufig neuen Lebensalltag im Pflegeheim.
  • Die Studierenden gewinnen aus gemeinsamen Aktivitäten neue Erkenntnisse und reflektieren diese wissenschaftlich.
  • Durch die Kooperationen, die mit diesem Projekt verbunden sind, eröffnen sich neue Forschungsnetzwerke, bestehend aus Universität, Fachhochschule und Pflegeheim. Daraus können wiederum neue Impulse und Transfermöglichkeiten aus der Forschung in die Praxis und umgekehrt entstehen.  
  • Die Studierenden können das auf theoretischer Ebene Gelernte in die Praxis bringen und eigene Forschungsfragen entwickeln.

Das Lehrangebot ist modular aufgebaut und besteht aus drei Veranstaltungen:

  1. Interdisziplinäres Seminar und Begleitphase in den Pflegeheimen: Das Seminar ist für die Dauer eines Semesters angelegt. Die Basiskomponente vermittelt Wissen zu relevanten Themen des Projektes. Die Wissensvermittlung erfolgt über einen interaktiven ILIAS-Kurs, in den zu lesende Texte, andere Medien und interaktive Elemente eingebaut und mit passenden Lernstandsüberprüfungen kombiniert werden. Diese Inhalte werden von den Studierenden im Selbststudium absolviert. Die zweite Komponente des Seminars ist fächerspezifisch und wird sowohl inhaltlich als auch personell von den teilnehmenden Fächern und Dozierenden gefüllt. Hier speist die dozierende Person eigene Inhalte ein, die aus der jeweiligen Perspektive für die Teilnahme am Projekt relevant sind. Dies können zusätzliche Fachinhalte sein, methodische Konkretisierungen oder auch praktische Hinweise sowie konkret ausformulierte Anforderungen an zusätzliche Leistungen. Die Begleitphase geht über die Vorlesungszeit hinaus und umfasst die gesamte Dauer des Semesters. Als Leistungsnachweis wird eine Hausarbeit eingereicht.

  2. Kolloquium: Das Kolloquium ist fakultativ und bei Interesse an das Projekt andockbar. So können bestehende Kolloquien in den Fächern nach Absprache mit den Dozierenden genutzt werden, um die Themen rund um das Projekt und die eigene Teilnahme auszudehnen, empirische Daten zu erheben, auszuwerten und in wissenschaftliche Arbeiten zu überführen.

  3. Vorlesung: Eine weitere optionale Vertiefung besteht in der Möglichkeit des Besuchs von Vorlesungen zu diesem Thema, die jeweils für alle Fächer geöffnet werden.

Das Lehrangebot wird didaktisch innovativ umgesetzt:

  • Transfer von Lerninhalten (Anwendungsbezug, z.B. werden erworbene Sprachkenntnisse aktiv eingesetzt)
  • Zusammenspiel von Selbstlernphasen, Seminarsitzungen und praktischer Anwendung
  • Heranführung der Studierenden an eigene Forschung durch Forschendes Lernen (eigene Daten erheben & auswerten)
  • Behandlung interdisziplinärer Themenfelder und interdisziplinärer Austausch in der Projektgruppe
  • Aufzeigen von Zukunftsperspektiven (Berufsfelder, neue Forschungsbereiche)  

Grundsätzlich ist den Studierenden die Teilnahme an den unterschiedlichen Komponenten des Projekts über die Fächer der Slavistik, der Geschichte und der Praktischen Theologie möglich. Zugleich sollen aber alle Komponenten für den Bereich der freien Leistungen geöffnet werden, sodass alle interessierten Studierenden der Universität Bern am Projekt teilnehmen können.

Es ist geplant, dass das Angebot über die Förderphase 2023 / 2024 hinaus bestehen und den Studierenden angeboten wird.

Die Vorbereitungsphase mit Kurskonzeption und Suche von Kooperationspartnern ist für den Herbst 2023 geplant, der erste Projektdurchlauf mit Teilnahme von Studierenden steht im Frühjahrssemester 2024 an. Im Anschluss daran erfolgt die Evaluierung und Überführung der gewonnenen Erkenntnisse und Daten in Folgeaktivitäten. Damit umfasst das Projekt mehrere Phasen: 

  1. Konzeption und Suche von Kooperationspartnern

  2. Mehrmonatiger intergenerationaler Austausch der Tandempaare inkl. universitärer Begleitung

  3. Erfahrungen aus den gemeinsamen Aktivitäten und den kommunikativen Praktiken werden in der Gruppe und unter den Projektpartnern reflektiert und auf die wissenschaftliche Ebene überführt 

  4. Kooperationspartner analysieren die gewonnenen Daten, um daraus neue Forschungsprojekte zu entwickeln und das Konzept für den nächsten Durchlauf zu verbessern.
     

Für die Umsetzung wird auf die Erfahrung von sechs Projektdurchgängen (je ein Jahr) an der Ruhr-Universität Bochum (Leitung Katrin Karl) zurückgegriffen. Das Projekt wurde ausgezeichnet (Landeslehrpreis Nordrhein-Westfalen & DAAD-Preis) und erfuhr mediale Präsenz. Einen Überblick bietet die Projektwebsite UnVergessen.

Im Zuge der Adaption werden einige Bestandteile übernommen, andere angepasst und das Projekt durch einen modularen Aufbau und Aufteilung in einen Kern- und einen fakultativen Bereich flexibilisiert und gesamtuniversitär geöffnet.

Die Entwicklung von UnVergessen wird 2023 / 2024 vom Vizerektorat Lehre der Universität Bern im Rahmen von FLE – Fakultäre Lehrentwicklung (ehemals «FILFLE») unterstützt. Hier finden Sie Informationen zum Förderangebot.